- Phryger, Lyder, Lykier: Grabhäuser und Nekropolen
- Phryger, Lyder, Lykier: Grabhäuser und NekropolenNach dem Ende des Hethiterreiches drangen verschiedene Völker nach Anatolien; in den ersten Jahrhunderten des 1. Jahrtausends v. Chr. konsolidierten sich dort verschiedene Königreiche, darunter die der Phryger und der Lyder. Nach abwechselnder Herrschaft der Perser und der Athener in archaischer und klassischer Zeit gelingt den Lykiern erst im 4. Jahrhundert v. Chr. eine staatliche Einigung unter der Königsherrschaft des Perikle von Limyra.Als ein Merkmal der phrygischen Kultur Zentralanatoliens können die seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. auftretenden Bestattungen unter aufgeschütteten Erdhügeln bezeichnet werden. Auffallend bei diesen Tumulus-Bestattungen ist die türlose Kammer aus Holz und die im Fußboden eingelassene Grablege. Der Tumulus besitzt keine Umfassungsmauer (Krepis), das eigentliche Grab keinen Zugang (Dromos). Um die Aufschüttung über der Grabkammer zu gewährleisten, wurden Holzmasten aufgestellt. Der älteste der Grabhügel, der Tumulus W von Gordion, hatte eine Höhe von 22 m und einen Durchmesser von 150 m; die hölzerne Grabkammer war 4,64 m lang, 5,30 m breit und 1,55 m hoch und wird in die Zeit um 750 v. Chr. datiert. Im Zentrum der Forschung steht jedoch der in Sichtweite vom Siedlungshügel der Stadt Gordion angelegte Tumulus MM (= Midas Mound), der mit 53 m Höhe und 250 m Durchmesser die Landschaft beherrscht. In seiner 5,15 x 6,20 m messenden Grabkammer mit Satteldach ruhte der Tote auf einem für Trinkgelage üblichen Liegemöbel (Kline). Zahlreiche Bronzegefäße und -fibeln wurden in dem Grab gefunden, jedoch kein Gold. Die Beigaben waren auf neun Tischen aufgestellt, andere an Eisennägeln an den Wänden aufgehängt. Die auf kunsthistorischen und historischen Analysen beruhende Datierung um 700 v. Chr. weist das größte Grabmal Phrygiens einem Herrscher zu, der schon in der Antike weltweit berühmt war: das Skelett eines 1,59 m großen und circa 65 Jahre alten Mannes darf man auf den König der Phryger beziehen, der in den griechischen Quellen als Midas und in den assyrischen Annalen als Mita von Muschki geführt wird. Nach dem griechischen Geographen und Historiker Strabo verübte Midas während der Invasion der Kimmerier Selbstmord, nach Eusebius regierte er 42 Jahre und starb 696 v. Chr. Er galt als der erste Nicht-Grieche, der dem Apoll von Delphi einen Thron gestiftet habe. Der Überlieferung nach war der graekophile Herrscher auch mit einer Griechin aus dem äolischen Kyme an der Westküste Kleinasiens verheiratet.Die den gewaltigen Tumulus des Midas wie die Planeten die Sonne umkreisenden kleineren Grabhügel bergen Angehörige der Hocharistokratie. Im Tumulus P (Durchmesser 80 m) war ein 4-5 Jahre alter Prinz bestattet; zu den großartigen Funden zählen ein Gürtel aus Bronze, ein Beistelltisch mit geometrischen Mustern, eine bronzene Spielzeug-Quadriga und ein importierter assyrischer Glasbecher aus der königlichen Manufaktur in Kalach mit dem Namen Sargons II., weshalb das Grab um 700 v. Chr. datiert werden kann.Die Datierung von Felsgräbern in das Ende des 8. Jahrhunderts v. Chr. unter ostantatolischem, urartäischem Einfluss oder in in das 6. Jahrhundert, in die archaische Zeit unter lykischem Einfluss, ist umstritten. Anzunehmen ist, dass die Anlage imposanter Felsgräber als königliches Privileg vom urartäischen Königshaus durch die persische Dynastie der Achaimeniden übernommen wurde. Die achaimenidischen Würdenträger erwiesen wiederum dem persischen Großkönig durch ähnliche Grabfassaden ihre Reverenz. In dem Erbauer des Felsgrabmales von Büyük Aslantaş bei Afyonkarahisar mit den beiden neben dem Eingang einander zugewandt angeordneten, hoch aufgerichteten Löwen mit drohend aufgerissenem Maul darf man vielleicht den ersten persischen Satrapen Großphrygiens erkennen und seinem Nachfolger ist wohl das in der Nähe gelegene, von zwei - ebenfalls antithetisch angeordneten - Kriegern mit Schild und drohend erhobener Lanze bewachte, von einem Erdbeben zerstörte grandiose Felsgrab von Yilantaş zuzuschreiben. Es ist stilistisch um 530-500 v. Chr. anzusetzen und vielleicht von ionisch-griechischen Künstlern von der Küste Kleinasiens ausgeführt worden.Nördlich von Sardes, der Residenz der lydischen Könige zwischen dem Fluss Gediz (dem antiken Hermos) und dem Marmara-See (archäologisch auch Gyges-See) erstreckt sich die Nekropole Bin Tepe (=1000 Hügel), die circa 100 Tumuli umfasst. Lydische Tumuli verfügen über eine Steinkammer, einen Dromos, eine Krepis sowie eine Phallusbekrönung. Keiner der Tumuli reicht in die Zeit des altlydischen Fürstengeschlechts der Herakliden zurück. Von dessen letztem Herrscher Kandaules übernahm Gyges die Macht; er regierte von 680 bis 652 v. Chr. und begründete die Dynastie der Mermnaden. Im Tumulus Karnɪyarɪk, der eine Höhe von 50 m bei einem Durchmesser von circa 200 m besitzt, wurde die Grabkammer bislang trotz Tunnelbohrung nicht gefunden, wohl aber eine innere Krepis mit dem Monogramm Gugu, der Schreibweise für Gyges in den assyrischen Annalen.Der größte Grabhügel von Bin Tepe ist der Tumulus E mit einem Durchmesser von 355 m sowie einer äußeren Umfassungsmauer von 10 m Höhe und 1115 m Umfang. Die Höhe des Tumulus beträgt 69 m, die Grabkammer, deren Marmorblöcke mit Eisenklammern verbunden waren, misst 3,34 x 2,37 m. Das Grab wird dem König Alyattes zugeschrieben; Scherben datieren die Anlage in die Zeit um 600 v. Chr. Die circa 100 restlichen Tumuli wird man sowohl der königlichen Familie als auch den obersten Angehörigen des lydischen Hofes zuschreiben.Die Bürger von Sardes bestatteten gewöhnlich in der West-, Süd- und Südwest-Nekropole in Felsgräbern westlich des Flusses Sart Çayɪ (griechisch Paktolos). Sie wurden von archaischer bis ans Ende der klassischen Zeit aus dem anstehenden Felsen gewonnen. Mehr als 1000 Gräber wurden untersucht. Ein Dromos führt in eine mit einem Satteldach versehenen Grabkammer mit Klinen. Zwei ungewöhnliche, nur fragmentarisch erhaltene freistehende Grabbauten stammen wohl aus Zeit der Perserherrschaft, als Sardes Sitz der lydischen Satrapie war.Bei den Lykiern im südwestlichen Kleinasien hat sich eine Grabkultur erhalten, die zu den großen Leistungen dieses Volkes, das wie die Phryger, Lyder und Karer zur indogermanischen Sprachfamilie zählt, gehört. In Lykien besteht das Grabhaus aus einem quadratischen oder, wenn es zusätzlich über eine Vorhalle verfügt, rechteckigen Grundriss. Über eine Konstruktion aus zwei Längs- und zwei Querschwellen ist eine senkrechte Pfostenkonstruktion gesetzt, die eine überkragende Dachkonstruktion aufnimmt. Die Statik wird durch rahmende Elemente erzielt, die neben die Pfosten, die die Fassade in zwei, drei oder vier Felder teilen können, kasettenartig eingestellt werden. Es ist wahrscheinlich, dass die Langseiten eine oder zwei Langschwellen zwischen den durchgehenden Eckpfosten aufweisen, aber keine durchgehenden Querbalken. Die Balkenköpfe sind äußere Köpfe von Holzklammern oder verkämmten Zangen innerhalb einer Bruchsteinmauer. Neben dem Flachdach kommen Satteldach und Spitzbogendach auf. Dreidimensional gebaute Gräber sind in den lykischen Nekropolen selten. Ihre in die Felswände neben- und übereinander geschlagenen Fassaden verfügen im Inneren in der Regel über einen Raum für drei Klinen (Triklinium). Das lykische Grabhaus ist vermutlich aus dem Bankettsaal (Andron) des Wohnhauses abzuleiten.Die weit fortgeschrittene Akkulturation, die Angleichung an die griechische Welt, wird von Grabmonumenten dokumentiert, die keine profane Architektur nachahmen, sondern griechische Sakralbauten. So ist das im Britischen Museum rekonstruierte Nereidenmonument von Xanthos am ionischen Ringhallentempel, das Amyntasgrab von Telmessos bei Fethiye an dem Typ des griechischen Antentempels orientiert. Die Architektursprache dient der Vergöttlichung des Herrschers. In Myra ahmt das Löwengrab mit der vorgestellten Säulenhalle ebenfalls einen Ringhallentempel nach. Das Heroon von Limyra, das einst die lykische Stadt Zẽmuri überragte, wurde in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. auf der Akropolis der Stadt für den König Perikleerrichtet; das Vorbild des mit zwei Vorhallen versehenen griechischen Tempels wurde gewählt, weil die klassische griechische Gestaltung des Heroengrabes gewählt wurde: das Erechtheion auf der Athener Akropolis für Kekrops, den mythischen Urkönig Attikas.Die für Lykien typischen Sarkophage mit Spitzbogendach und Hebebossen können einen Kasten in der Art der Grabhäuser aufweisen, meist zeigen sie jedoch einen thekenförmigen, griechische Vorbilder nachahmenden Sarkophagkasten.Sind die Tempelgräber den vergöttlichten Königen vorbehalten, so sind bei Grabanlagen, die über eine obere und eine untere Grabkammer verfügen (Hyposoriongräber), Angehörige des Hochadels zu fassen, die Anspruch auf Heroisierung erhoben und nach ihrem Tod als Heroen kultische Verehrung genossen. Die obere Grabkammer ist für den Grabherrn und seine Gattin reserviert und die untere für die übrigen Angehörigen und die Gefolgschaft. Es gibt circa 20 solcher Doppelgräber, zu nennen sind besonders die Gräber eines Apollonpriesters von Limyra oder eines Stadtherrn von Myra.Die über einer Basis ruhenden Pfeilermonumente mit zum Teil winziger Öffnung am oberen Ende, die von einem überkragenden Deckel abgeschlossen wird, der als Träger von statuarischem Schmuck dienen kann, sind leer; man sollte sie nicht als Gräber bezeichnen. Solche Kenotaphe wurden vom Fürsten, von der Stadt oder von einer übergeordneten Organisation der Fürsten und Städte gestiftet für herausragende Persönlichkeiten, die im Ausland gefallen waren.Die normalen Grabhäuser wird man dem Landadel zuschreiben, auch der Oberschicht der Vollbürger in den insgesamt sieben Städten. Die Felsnekropolen sowie die freistehenden Gräber an den Ausfallstraßen vor den Toren der Stadt mit ihren bemalten Reliefs und abwechselnd blau und rot gehaltenen Inschriften müssen ein farbenprächtiges Bild abgegeben haben.Prof. Dr. Jürgen Borchhardt
Universal-Lexikon. 2012.